„Thank God for Mississippi“ – ein Ausspruch in den Südstaaten, der immer dann fällt, wenn mal wieder Nationale Rankings veröffentlicht werden. Denn egal, ob es um Bildung, Haushaltseinkommen oder BIP geht – Mississippi belegt in der Regel den allerletzten Platz und alle anderen Staaten sind froh, die Rote Laterne abgeben zu können.
Im Südwesten könnte der Spruch auch „Thank God for New Mexico“ lauten, denn im Vergleich zu den relativ wohlhabenden umliegenden Staaten Colorado, Nevada, Arizona und Texas ist New Mexico weit hinten was das Durchschnittseinkommen angeht. Auch sonst ist der kleine Südweststaat eher nicht auf den vorderen Plätzen im Staatenranking zu finden.
Wir Europäer kennen New Mexico hauptsächlich als Schauplatz von Breaking Bad oder High School Musical – politisch war der Staat im Südwesten die letzten Dekaden aber relativ unbedeutend. Seine 5 Stimmen im Electoral College waren für kaum eine Wahl wirklich entscheidend. Der Film Swing Vote mit Kevin Costner von 2008, indem eine einzige Stimme in dem Südweststaat den Ausschlag für die Präsidentschaftswahl gibt, ist deshalb natürlich stark übertrieben.
Warum ist New Mexico trotzdem ein spannender Trendsetter für die Entwicklung vor allem für den Süden und Südwesten sein kann, soll im folgenden Beitrag aufgezeigt werden.
Bellwether New Mexico – vom Swing State zum Blue State
Seit New Mexico 1912 in den Kreis der Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen wurde, war es oft ein Stimmungsbarometer für Präsidentschaftswahlen. Bei allen Präsidentschaftswahlen im 20. Jahrhundert stimmte New Mexico immer mit dem Gewinner – außer einmal: 1976 konnte Gerald Ford knapp mit 51% gegen Jimmy Carter gewinnen.
Im neuen Jahrtausend wurde New Mexico immer demokratischer. Abgesehen von 2004 als George W. Bush die Wahl im Südweststaat knapp für sich entscheiden konnte, haben die Demokraten alle Wahlen für sich entschieden. Zuletzt immer mit klarem Vorsprung.
Das liegt vor allem an der demographischen Veränderung, die seit der Jahrtausendwende stattgefunden hat. Durch die lange gemeinsame Grenze zu Mexiko sind viele Latinos eingewandert und in New Mexico heimisch geworden. Über 50 Prozent der Bevölkerung hat lateinamerikanische Wurzeln und für fast 30 Prozent ist Spanisch die gesprochene Sprache. in keinem anderen Bundesstaat nimmt diese Bevölkerungsgruppe eine so dominierende Rolle ein – zumindest noch nicht. Das spiegelt sich auch in der Politik wieder. Mit Susana Martinez und Michelle Lujan Grisham haben die beiden letzten Gouverneurinnen lateinamerikanische Wurzeln.
Mit dem Anstieg der Latino-Bevölkerung geht auch der Aufstieg der Demokratischen Partei einher. Haben sich die Latinos Anfang der 2000er Jahre noch ziemlich gleich auf die beiden Parteien verteilt (George Busch erhielt 2004 44% des Latino-Vote), so hat sich das in den letzten Jahren deutlich zu Gunsten der Demokraten verschoben. 2008 gewann Obama die Latinos mit 36 Punkten (67 zu 31) Vorsprung, Hillary Clinton 2016 sogar mit 38 Prozentpunkten (66 zu 28).
Zudem ist die zugewanderte Bevölkerung in New Mexico jünger als im Bundesschnitt. Mit 38 Jahren im Altersmedian ganze sieben Jahre jünger als in Maine – dem ältesten Staat in den USA. Bei den jungen Wählern sind die Demokraten ebenfalls die dominierende Partei. Obama erreichte bei den 18 bis 29 jährigen 2008 66 Prozent der Stimmen – Hillary Clinton 2016 immerhin noch 58 Prozent.
Die demographische und politische Entwicklung in New Mexico ist exemplarisch für die meisten anderen Staaten im Südwesten. Der kleine Südweststaat war der erste Dominostein, der von den Republikanern zu den Demokraten gekippt ist. Es folgten Colorado und Nevada – in diesem Jahr steht auch Arizona an der Schwelle von einem Republikanischen zu einem Demokratischen Staat zu werden. Texas könnte diesem Trend bald folgen.
Der Südwesten nimmt politisch also genau die umgekehrte Richtung wie der Rust Belt und könnte sich für die kommenden Wahlen zu einem der wichtigsten Battlegrounds im Land entwickeln. Einen Vorteil haben die Staaten im Südwesten dabei: Sie haben eine deutlich wachsende Bevölkerung und gewinnen politisch an Einfluss und Wahlmännerstimmen dazu – während der Einfluss des Rust Belt abnimmt.
Der Südwesten ist in vielen Bereichen genau das Gegenteil des Rust Belts: Ein junge, wachsende und optimistische Bevölkerung, die immer wohlhabender wird, steht im sonnigen Teil der Staaten einer älteren, stagnierenden und pessimistischer Bevölkerung im regnerischen Nordosten gegenüber.
Trendsetter für die USA – Trendsetter für die großen Parteien
Für viele Entwicklungen in den USA war New Mexico in den vergangenen beiden Dekaden ein absoluter Trendsetter – er könnte es auch für die demokratische Partei werden. Bereits bei den Midterms 2018 deutete sich an, dass eine Bevölkerungsgruppe ganz entscheidend für den Wiederaufstieg der Demokratischen Partei werden würde: Frauen. Die Vorstadt-Frauen haben Hillary Clinton 2016 unter anderem den Einzug ins Weiße Haus gekostet – 2018 haben sie sich in Massen von Donald Trump abgewendet und den Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus beschert.
Interessant ist, dass die Republikaner ebenfalls mit 3 Women of Color antreten. Im ersten Distrikt kandidiert die Latina Michelle Garcia Holmes, im zweiten tritt Yvette Herrell, die von den Cherokee abstammt und im dritten Wahlbezirk kandidiert Alexis Johnson, ebenfalls eine Latina. Sollte es zu keiner riesigen Überraschung im November kommen dürften alle 3 Sitze aus New Mexico an Women of Color gehen – eine noch nie dagewesene Situation.
Frauen und insbesondere Women of Color sind politisch in den zukünftigen Vereinigten Staaten eine der wichtigsten Wählergruppen. Auch hier ist der kleine Staat im Südwesten seiner Nation weit voraus. Ein echter Trendsetter.
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