Der Kampf um dem Senat

Die Situation in Amerika bewegt aktuell auch viele Menschen in Europa. In vielen Städten finden Demonstrationen statt, die sich für die Rechte der Schwarzen und gegen Polizeigewalt stark machen.

Ganz besonders entscheidend für die Richtung in die Amerika geht, werden die Wahlen im November sein. Die Medien fokussieren sich hauptsächlich auf die Präsidentschaftswahl. Die Wahlen zum US-Senat sind aber beinahe genau so wichtig.

In vielen Staaten ist klar, welche Partei gewinnen wird. Diese 10 Staaten werden über die Mehrheitsverhältnisse im amerikanischen Oberhaus entscheiden: Alabama, Arizona, Colorado, Georgia, Iowa, Maine, Michigan, Montana, New Hampshire und North Carolina.

Alabama

Der Yellowhammer State Alabama ist eigentlich rot wie ein Rubin, zumindest seit die Demokraten zur politischen Interessenvertretung der schwarzen Bevölkerung geworden sind. Alabama ist so etwas wie das Mutterland der Segregation. In keinem anderen Staat waren Lynchmorde und rassistische Diskriminierung so extrem wie in Sweet Home Alabama. Heute ist Alabama das Epizentrum des Bible Belt. 49 Prozent der Bevölkerung sind weiße, evangelikale Christen, erzkonservativ und republikanisch bis ins Mark. Dieser Wählergruppe sind vor allem sozialkonservative Positionen wichtig, wie beispielsweise die Ablehnung der Abtreibung und der Ehe für alle. Die Evangelikalen haben dafür gesorgt, dass die Demokraten vor 2017 keine einzige Senatswahl in diesem Jahrtausend gewonnen haben. Dem gegenüber steht ein Viertel schwarze Bevölkerung, die Home Base der Demokraten.

Amtsinhaber Doug Jones (D)

Der Überraschungssieger der Nachwahl für den Senat von 2017 war der Demokrat Doug Jones, der diese Wahl knapp mit 50% der Stimmen für sich entscheiden konnte. Das hat er nur geschafft, weil sein Gegenkandidat Roy Moore, ein rechtsradikaler Republikaner, wegen Kindesmissbrauch angeklagt war. Seitdem hat er sich zu einem Vertreter des moderaten Flügels der Demokraten entwickelt. Seine Zustimmungswerte sind knapp positiv. Gesellschaftspolitisch vertritt er aber liberale Positionen, er befürwortet die Ehe für alle und ist pro-choice. Obwohl er im Wahlkampf von manchen moderaten Republikanern unterstützt wird, ist er der am meisten verwundbare demokratische Amtsinhaber.

Herausforderer

Noch unklar ist, welcher Republikaner gegen Jones antreten darf. Am 14. Juli findet die Vorwahl zwischen dem ehemaligen U.S.-Justizminister Jeff Sessions und einem Football Coach Tommy Tuberville. Nachdem Sessions sich mit Präsident Trump überworfen hat, ist Tuberville leichter Favorit. Tuberville vertritt klassisch sozialkonservative Positionen und macht Wahlkampf im Trump Style: Als politischer Außenseiter mit einem Faible fürs Jagen, Golf und NASCAR-Rennen.

Aktuell sind die Umfragen noch undurchsichtig. Aber egal ob Sessions oder Tuberville die republikanische Vorwahl gewinnt, die Republikaner sind klarer Favorit in Alabama und dürften den 2017 verlorenen Sitz von den Demokraten zurückerobern.

Arizona

Der Südwesten ist politisch im Wandel. Einst waren New Mexico, Colorado, Nevada und Arizona Staaten mit eher republikanischer Prägung. Arizona brachte große Republikanische Senatoren wie Barry Goldwater und John McCain hervor und war lange Zeit ein konservativer Staat. Vor allem durch die wachsende Latino-Bevölkerung, die eher den Demokraten nahesteht, sind diese Staaten nach und nach gekippt. Zuerst New Mexico, dann Colorado und Nevada und schließlich Arizona. Dass das im Grand Canyon State länger gedauert hat als anderswo liegt auch an der zunehmenden Anzahl von Mormonen, die traditionell konservativer wählen und die Latinos ausgleichen. Zudem gibt es eine große Zahl Veteranen im Staat, die traditionell den Republikanern nahesteht. Das macht Arizona zu einem der interessantesten Battleground States für diese Wahl.

Amtsinhaberin Martha McSally (R)

Die Republikanerin Marthy McSally ist keine gewählte Senatorin, sie wurde 2019 vom Gouverneur ernannt. Auf den ersten Blick erscheint McSally ein ziemlich guter Match für den Südweststaat. Die Air-Force-Veteranin gilt als Main Street Republikanerin und dürfte von ihren Positionen mit vielen Wählern in Arizona übereinstimmen. Allerdings wirkt sie im Wahlkampf eher hölzern und unnahbar und hat 2018 bereits eine Senatswahl gegen die offen bisexuelle Demokratin Kyrsten Sinema verloren.

Herausforderer Mark Kelly (D)

Der Ehemann der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords ist der demokratische Kandidat für die Wahl. Mark Kelly hat einen grandiosen Lebenslauf, als ehemaliger Astronaut und Kriegsheld aus dem Golf Krieg dürfte er die demokratische Basis um viele Veteranen erweitern. Politisch hat er sich insbesondere auf Gesundheitspolitik und Waffenkontrolle konzentriert – eine Folge aus der Schießerei in Tucson 2011 bei der seine Frau schwer verletzt wurde. Obwohl er selber Waffenbesitzer ist, tritt er entschieden für schärfere Waffengesetze ein. Neben seinem militärischen Rekord hat sich Kelly bereits als hervorragender Fundraiser erwiesen und seit April über 9 Millionen Dollar mehr an Spenden eingenommen als seine republikanische Mitbewerberin.

Mark Kelly führt in Umfragen aktuell deutlich, mit über 10 Punkten. Er ist ein guter Wahlkämpfer und hat volle Rückendeckung von seiner Partei, sowie einen hervorragenden Medien-Zugang. Die Demokraten dürften gute Chancen haben, diese Senatswahl zu gewinnen und damit erstmals seit 1952 beide Senatoren aus Arizona stellen.

Colorado

Colorado hat sich von einem Swing State zu einem zumindest hellblauen Staat entwickelt. Der Rocky Mountain State ist einer der reichsten Staaten der USA, hat ein verlässliches Bevölkerungswachstum und einen steigenden Anteil von Latinos. Denver ist eine Boom-Town, attraktiv für junge Familien und gut gebildete Arbeitskräfte. Das alles führt zu einer wachsenden Wählerbasis der Demokraten. Seit 2008 haben die Demokraten jede wichtige Wahl in Colorado für sich entschieden – mit Ausnahme der Senatswahl von 2014, die allerdings für die Republikaner unter besonders günstigen Voraussetzungen stattgefunden hat. Generell ist die Bevölkerung offen für liberale Positionen, so hat sie beispielsweise die Legalisierung von Cannabis 2012 per Volksabstimmung durchgesetzt. Ein traditionell wichtiges Thema in dem Rocky Mountain Staat ist auch die Klima- und Umweltpolitik. Das macht Colorado zum Top-Ziel für die Demokraten.

Amtsinhaber Cory Gardner (R)

Der Senator hat 2014 mit 48 Prozent der Stimmen äußerst knapp gegen den damaligen demokratischen Amtsinhaber Mark Udall gewonnen. Cory Gardner hat zweifellos eine interessante politische Linie. In den meisten Bereichen vertritt er klassisch konservative Positionen: Er ist Abtreibungsgegner, für unbeschränkten Waffenbesitz und gegen Obamas Gesundheitsreform. Im Gegensatz zu den meisten anderen Republikanern ist er jedoch kein Klimawandel-Leugner und hat mehrere Gesetzesinitiativen unterstützt die verbesserten Naturschutz garantieren. Zudem hat er bei Immigrationsfragen anfangs eher liberale Positionen vertreten, zweifellos um der wachsenden Latino-Wählerschaft zu gefallen. Ob ihn das retten wird ist allerdings fragwürdig, seine Zustimmungswerte sind negativ. Er ist der verwundbarste Republikaner.

Herausforderer John Hickenlooper (D)

Mit Hickenlooper haben die Demokraten einen starken Kandidaten rekrutiert. Der ehemalige Gouverneur und Bürgermeister von Denver ist ein moderater Demokrat und verfügt in Colorado über einen großen Bekanntheitsgrad. Er wurde in für die Demokraten schwierigen Jahren zweimal mit klarer Mehrheit zum Gouverneur gewählt und hat sich vor allem mit sozialen Themen einen Namen gemacht, indem er sich beispielsweise stark für Obdachlose eingesetzt hat. 2012 wurde er vom Esquire Magazin als einer der Amerikaner des Jahres ausgezeichnet.

„Rocky Mountain High“ von John Denver ist der inoffizielle Song des Staates. So hoch dürften die Chancen von John Hickenlooper die Wahl im Rockys State zu gewinnen. Seit seiner letzten Wahl 2014 ist Colorado viel demokratischer geworden und mit Donald Trump, der in Colorado fast so unbeliebt ist wie Blitzeis, als bucklige Verwandtschaft, dürfte jede republikanische Kandidatur kein Zuckerschlecken werden.

Georgia

Georgia ist politisch wahrscheinlich einer der interessantesten Staaten der kommenden Jahre. Neben der regulären Senatswahl findet auch noch eine Nachwahl statt. Der Peach State verfügt über ein deutliches Bevölkerungswachstum – vor allem bei den gesellschaftlichen Minderheiten. Nur noch knapp 60 Prozent der Bevölkerung sind weiß, die Mehrheit davon gut gebildet. Wie in Alabama sind die Weißen aber sehr evangelikal geprägt, was den Republikanern in der Vergangenheit trotz 30 Prozent schwarzer und 10 Prozent Latino-Bevölkerung relativ solide Wahlsiege beschert hatte. Im Gegenzug zu Alabama ist Georgia, und vor allem Atlanta, so etwas wie die Hauptstadt der Bürgerrechtsbewegung. Die schwarze Bevölkerung ist deshalb seit jeher sehr politisiert, was dazu geführt hat, dass die Demokratin Stacy Abrams die letzte Gouverneurswahl 2018 nur sehr knapp verloren hat. Seitdem hat Georgia insbesondere unter den Folgen des Corona-Virus gelitten. In keinem anderen U.S. Bundesstaat war der wirtschaftliche Einbruch so groß. Das wird die Bevölkerung hauptsächlich dem Gouverneur Brian Kemp und dem Präsidenten anlasten – beide sind Republikaner.

Amtsinhaber David Perdue (R)

Der Amtsinhaber David Perdue ist seit einer Periode im Senat. Dort hat er sich bisher nicht besonders profiliert, verfügt aber dennoch über gute Zustimmungswerte. 2014 wurde er gewählt mit einer Trump-ähnlichen Kampagne, in der er sich als Außenseiter und erfolgreicher Geschäftsmann dargestellt hat, der das politische System von außen auf Vordermann bringen will. Er hat sich zu einem der engsten Anhänger von Präsident Trump entwickelt und unterstützt einen Großteil seiner Positionen.

Herausforderer Jon Ossoff (D) (voraussichtlich)

Noch ist nicht klar, wer für die Demokraten ins Rennen geht, die Vorwahl findet am 9. Juni statt und eine mögliche zweite Runde am 14. Juli, sollte keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erhalten. Hoher Favorit ist der erst 33-jährige Jon Ossoff, der sich vor 3-Jahren bei einer Nachwahl für den Kongress einen Namen gemacht hat. Ossoff ist ein charismatischer Politiker mit moderaten Positionen bei der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und progressiveren in der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Damit dürfte er sowohl für die demokratische Basis, als auch für unabhängige Wähler interessant sein. Für ihn spricht zudem, dass er ein hervorragender Wahlkämpfer und Fundraiser ist.

Die Hymne von Georgia lautet “Georgia on My Mind” – im November sollte man das beherzigen, den in dem Südstaat finden drei Wahlen statt, deren Ausgang aktuell völlig offen ist. Vieles wird davon abhängen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt und ob Trump und Kemp weiterhin an Boden verlieren. Das könnte auch David Perdue in die Knie zwingen.

Iowa

The Song of Iowa basiert auf der Melodie von „O Tannenbaum“. Wenn man an den Staat in den Heartlands denkt, dann kommt aber eher Mais in den Sinn als Tannbäume. Die Landwirtschaft ist auch das beherrschende Thema im Hawkeye Staat. Über 90 Prozent der Bevölkerung ist weiß und mehrheitlich protestantisch, allerdings nicht ganz so konservativ wie in den Südstaaten. Abgesehen von der Hauptstadt Des Moines ist Iowa von Mittel- und Kleinstädten geprägt. Über 50 Prozent der Einwohner sind Weiße ohne College-Abschluss, die Gruppe von Menschen, die Präsident Donald Trump am engsten die Treue hält. Trump konnte Iowa 2016 deshalb mit 10-Punkten Vorsprung für sich gewinnen. Seitdem ist aber einiges passiert: Trumps Handelskriege mit China haben einige Farmer verschreckt, die nach neuen Absatzmärkten suchen. Das hat in der Bevölkerung zu einem Meinungsumschwung geführt – die Demokraten konnten 2018 drei der vier Sitze bei der Kongresswahl gewinnen. Die Politik in Iowa ist stark polarisiert. Der extrem konservativen republikanischen Basis steht eine sehr liberale demokratische Partei gegenüber.

Amtsinhaberin Joni Ernst (R)

Bei der Wahl 2014 hat Joni Ernst mit einem Werbespot auf sich aufmerksam gemacht, indem sie beschrieben hat, wie sie als Jugendliche auf der Farm ihrer Eltern Schweine kastriert hat. Damit hat sie Punkte gemacht: Als Farmerstochter, Kriegsveteranin und lebenslanges Mitglied der NRA passt Joni Ernst gut in den Mittleren Westen. Sie hat ordentliche Zustimmungswerte und Positionen die der konservativen republikanischen Basis gut gefallen dürften. Trotzdem hat sie im Senat immer wieder bei überparteilichen Vorhaben mitgemacht, sodass sie auch für unabhängige Wähler ein halbwegs glaubwürdiges Angebot darstellen kann.

Herausforderin Theresa Greenfield (D)

Theresa Greenfield ist ebenfalls eine Farmerstochter, die einen ähnlichen Kampagnenansatz wagt, wie ihre Gegnerin Ernst bei ihrer ersten Wahl. Ihr Werbespot zeigt sie in Gummistiefel beim Ausmisten von Ställen. Anders als die Senatorin, macht sie sich stark für kleine Unternehmen, Gesundheitsfürsorge und soziale Belange. Alles Themen, die bei der weißen Arbeiterschicht gut ankommen dürften. Über die Bekanntheit ihrer Mitbewerberin verfügt sie aber noch nicht.

Ein offenes Rennen, das vor allem über die Wahlbeteiligung entschieden werden dürfte. Joni Ernst ist leichte Favoritin, aber wenn die republikanische Basis Trump seine Handelspolitik übelnimmt und Wahlverweigerung betreibt, haben die Demokraten eine Chance, den Sitz zu gewinnen.

Maine

„As Maine goes, so goes the nation“ war jahrelang eine Beschreibung dafür, welch wichtiger Indikator der Staat im Nordosten für die Präsidentschaftswahlen lange Zeit war. Das hat sich in den 1990er und 2000er Jahren verändert. Aus einem ehemaligen Swing State wurde eine relativ verlässliche Bank für die Demokraten – zumindest bei Präsidentschaftswahlen, ehe Donald Trump wieder Boden gut machen konnte und einen der vier Wahlmännerstimmen eroberte. Das hat verschiedene Gründe: Ähnlich wie in Iowa hat Maine einen hohen Anteil Bevölkerung aus der weißen Arbeiterschicht, die hauptsächlich in Klein- und Mittelstädten lebt. Wichtige Wirtschaftszweige sind vor allem Fischerei, Holzwirtschaft und Schiffsbau. Zudem hat Maine traditionell einen sehr hohen Anteil an unabhängigen Wählern. Seit dem Ende des 2. Weltkriegs gab es drei unabhängige Gouverneure und mit Angus King einen unabhängigen Senator. Das macht die Politik in Maine etwas unberechenbar, führt aber dazu, dass moderate Kandidatin in der Regel gute Chancen haben. Religion spielt im Pine Tree State keine große Rolle.

Amtsinhaberin Susan Collins (R)

Die republikanische Senatorin Susan Collins stammt aus Caribou, ganz im Nordosten des Staats. Sie ist seit 1996 im Senat. Neben ihrer langjährigen Kollegin Olympia Snowe hat sie sich dort jahrelang als eine der moderatesten Senatoren etabliert. Sie ist pro-choice, unterstützt die Ehe für alle und macht sich für erneuerbare Energien stark. Bei Sicherheits- und Wirtschaftspolitik vertritt sie eher konservativere Positionen. Damit ist sie bisher gut gefahren und hat die Republikaner und die Unabhängigen hinter sich gebracht. 2014 wurde sie dem Traumergebnis von 68,5 Prozent wiedergewählt. Seitdem ist sie etwas nach rechts gerückt und hat unter anderem für die Berufung von Brett Kavanaugh an den Supreme Court gestimmt. Sie dürfte es dieses Mal wesentlich schwerer haben. Ihre Zustimmungswerte sind seitdem deutlich gesunken. Die Demokraten haben die Angriffslinie schon gefunden: „She talks like a moderate and votes like a conservative.“

Herausforderin Sara Gideon (D)

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses von Maine, Sara Gideon, ist die demokratische Herausforderin von Senatorin Collins. Sie präsentiert sich als junge, anpackende Mutter, die auf staatspolitischer Ebene einige Erfolge vorzuweisen hat. Vor allem verweist sie dabei immer wieder auf ihre Zusammenarbeit mit den Republikanern. Das und die Nominierung von Kavanaugh dürfte eine große Rolle im Wahlkampf spielen. Gideon hat die Unterstützung des Partei-Establishments und hat sich bereits als gute Fundraserin erwiesen.

Aus „as Maine goes, so goes the Nation“, könnte „as Maine goes, so goes the Senate“ werden, denn hier könnte sich entscheiden, wer die Mehrheit im Oberhaus für sich holt. Susan Collins dürfte nach wie vor die leichte Favoritin sein. Vieles hängt davon ab, wer glaubhafter machen kann, die echte Kandidatin der Mitte zu sein.

Michigan

Über Michigan kann man viele Geschichten erzählen: Der Auto-Staat, der Staat der Großen Seen, das Herz des Rust Belt. Michigan ist industriell in den Städten und landwirtschaftlich in den ländlichen Räumen geprägt. Im Vergleich zur restlichen USA hat der Great Lakes State eine schrumpfende Bevölkerung. Die „alten Industrien“ dominieren den Staat für lange Zeit. Durch ihren Niedergang hat Michigan Bevölkerung und gut bezahlte Arbeitsplätze verloren. Viele Städte wie Flint haben den Strukturwandel nicht geschafft und darben vor sich hin. Seit 1960 hat Flint die Hälfte seiner Bewohner verloren. In den 1990 und 2000er Jahren haben die großen Städte die Demokraten in diesen Staaten über Wasser gehalten. Ein Großteil der Industriearbeiter hat auf die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen der Demokraten vertraut und ihnen deshalb die Stimme gegeben. Das hat sich erst 2016 geändert, als Donald Trump Michigan knapp für sich entscheiden konnte. Abgesehen davon hat der Great Lakes State nach wie vor eine relativ verlässliche demokratische Basis. Mitentscheidend dürften auch die Auswirkungen des Corona-Virus sein, die in Michigan ebenfalls erheblich sind. Anders als in Georgia wird die demokratischen Gouverneurin Gretchen Whitmer aber für ihr Krisenmanagement gelobt.

Amtsinhaber Gary Peters (D)

Senator Peters ist seit einer Periode im Senat und wurde 2014 mit einem 13-Punkte-Vorsprung gewählt. Seitdem hat er ganz gute Zustimmungswerte, ist aber im Senat eher ein Hinterbänkler. Peters gehört zu den moderateren Demokraten, war bei der Navy und ist Waffenbesitzer. Wenn er politisch in Erscheinung getreten ist, hauptsächlich durch Außenpolitik oder Unterstützung für die Streitkräfte. Hier vertritt er eher moderate Positionen und arbeitet auch mit republikanischen Senatoren zusammen.

Herausforderer John James (R)

Die Republikaner schicken, wie auch schon 2018, den schwarzen Geschäftsmann John James ins Rennen. James vertritt klassisch republikanische Positionen und sucht bewusst die Nähe zu Präsident Trump. Er ist ein guter Wahlkämpfer und hat damit Debbie Stabenow bei der Wahl 2018 etwas ins Schwitzen gebracht. Am Ende hat er mit 6 Punkten verloren.

Auch wenn Trump Michigan 2016 gewonnen hat, gegen Joe Biden dürfte es viel schwerer werden, den Great Lakes State erneut zu holen. Das Präsidentschaftsrennen dürfte auch Auswirkungen auf die Senatswahl haben. Am Ende bleibt Gary Peters der Favorit und hat gute Chancen auf die Wiederwahl.

Montana

Donald Trump hat Montana 2016 mit 24-Punkten gewonnen. Das sollte eigentlich ein Todesurteil für jeden Demokraten sein, der in einem Präsidentschaftswahljahr im Treasure State kandidiert. In Montana ticken die Uhren allerdings anders. Der Staat besticht nicht nur durch seine zahlreichen Nationalparks, sondern auch durch interessante politische Konstellationen. Bei Präsidentschaftswahlen ist Montana eigentlich fest in republikanischer Hand, bei anderen Wahlen haben die Demokraten immer ein Wort mitzureden. So haben sie 20 der letzten 24 Senatswahlen gewonnen und stellen auch den Gouverneur. Demografisch setzt sich der Staat am Rande der Rocky Mountains ähnlich zusammen, wie Iowa, wobei Religion hier eine deutlich geringere Rolle spielt.

Amtsinhaber Steve Daines (R)

Steve Daines hat die Wahl 2014 deutlich für sich gewonnen und gehört seitdem im Senat zu den konservativen Republikanern. Er vertritt klar wirtschaftsliberale und gesellschaftspolitisch konservative Positionen und leugnet den menschengemachten Klimawandel. Dabei hat er gute Zustimmungswerte und präsentiert sich als Outdoor-Kandidat, der Sport treibt und regelmäßig auf die Jagd geht. All das kommt in Montana gut an, sein erster Wahlsieg war allerdings in einem für die Republikaner einfacheren Jahr als 2020.

Herausforderer Steve Bullock (D)

Der Herausforderer von Steve Daines ist niemand geringeres als der beliebte, amtierende Gouverneur von Montana, Steve Bullock. Bullock ist einer der beliebtesten Gouverneure in den USA und sein „Wahlkampf“ besteht aktuell hauptsächlich in der Bekämpfung der Corona-Krise. Dafür erhält er hohe Zustimmung der Bevölkerung. Bullock wird als moderater Liberaler beschrieben. Er hat einen Clean Energy Plan für Montana entwickelt, unterstützt aber weiterhin die Kohleförderung, die in Montana ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Zudem kann er mit guten Wirtschaftszahlen aufwarten. Unter seiner Regierungszeit entwickelte sich Montana zu dem Staat mit der geringsten Arbeitslosigkeit.

Durch die Kandidatur von Steve Bullock ist der sicher geglaubte Sieg der Republikaner ernsthaft in Gefahr geraten. Der populäre Gouverneur dürfte den amtierenden Senator ernsthaft ins Schwitzen bringen – Umfragen zeigen ihn knapp vorne. Das gilt insbesondere dann, wenn das Präsidentschaftsrennen sehr knapp wird. Sicher ist nur: der nächste Senator aus Montana wird Steve heißen.

New Hampshire

New Hampshire ist traditionell der einzige Swing State im Nordosten. George Bush konnte ihn 2000 für sich gewinnen und immer wieder haben die Republikaner Gouverneurs- oder Senatswahlen für sich entscheiden können. Die Bevölkerung des Granite State setzt sich sehr ähnlich zusammen wie im Nachbarstaat Maine, wobei der Anteil der College-Absolventen deutlich höher ist. Mit der Dartmouth University beheimatet New Hampshire eine Hochschule der Ivy-League im Staat. Politisch interessant ist New Hampshire hauptsächlich deshalb, weil hier traditionell die erste Vorwahl für die Präsidentschaft stattfindet.

Amtsinhaberin Jeanne Shaheen (D)

Senatorin Shaheen hat eine lange politische Vita in New Hampshire – 6 Jahre Gouverneurin, und seit 2008 Senatorin. Bei der letzten Wahl konnte sie nur knapp, mit 3 Punkten Vorsprung, gewinnen, allerdings war 2014 auch kein gutes Jahr für die Demokraten. Im Senat vertritt Shaheen eher klassisch demokratische Positionen. Im Wahlkampf gibt sie sich als Kümmerin, die sie für die Interessen der normalen Leute einsetzt. Das bringt ihr hohe Zustimmungswerte in dem kleinen Staat im Nordosten.

Herausforderer

Noch unklar ist, wer in New Hampshire für die Republikaner ins Rennen geht. Aller Voraussicht nach wird der Brigadegeneral Donald Bolduc der republikanische Kandidat sein, der zwar auf eine lange militärische Laufbahn zurückblicken kann, politisch aber ein völlig unbeschriebenes Blatt ist.

Jeanne Shaheen ist die klare Favoritin in New Hampshire, allerdings ist dieser Staat immer für eine Überraschung gut und deshalb sollte sie sich nicht zu sicher sein. Wenn alles normal läuft, dürfte sie aber auch die nächste Senatorin aus New Hampshire sein.

North Carolina

Politisch ähnelt die Situation in North Carolina der in Georgia sehr. Beide Staaten verfügen über ein deutliches Bevölkerungswachstum – vor allem bei den gesellschaftlichen Minderheiten. Nur noch knapp 70 Prozent der Bevölkerung sind weiß. Dem stehen 20 Prozent schwarze Bevölkerung gegenüber, die eine verlässliche Basis für die Demokraten bilden. Anders als in Georgia oder Alabama ist der Anteil der evangelikalen Christen im Norden Carolinas mit 35 Prozent allerdings deutlich geringer. Gesellschaftspolitische Fragen spielen in North Carolina deshalb keine so große Rolle wie im tiefen Süden. Das führt dazu, dass die Demokraten im Tar Heel Staat in den letzten Jahren so manchen Wahlsieg erringen konnten. Barack Obama gewann North Carolina 2008 und der aktuelle Gouverneur ist ebenfalls Demokrat.  Bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen konnten die Republikaner jeweils nur ganz knapp gewinnen.

Amtsinhaber Thom Tillis (R)

Der Amtsinhaber Thom Tillis wurde 2014 mit der republikanischen Welle ganz knapp in den Senat gespült. Während der Senator Präsident Trump anfangs noch kritisch gegenüber stand, hat er sich im Laufe der Zeit zu einem verlässlichen Unterstützer entwickelt. Er vertritt klassisch konservative Positionen, ist im Senat aber eher ein Hinterbänkler. Tillis gehört zu den unbeliebteren Senatoren und dürfte mir der verändernden Demographie seines Staates eher Probleme bekommen.

Herausforderer Cal Cunningham (D)

Der U.S. Army Veteran Cal Cunningham ist der demokratische Kandidat für North Carolina. Cunningham gilt als eher moderater Demokrat mit progressiven Positionen in der Gesellschafts- und Umweltpolitik. Seine Wahlkampfstärke hat er in einer schwierigen demokratischen Vorwahl unter Beweis gestellt und die Kandidatin vom linken Flügel der Demokraten, Erica Smith, klar geschlagen. Cunningham hat die Unterstützung des kompletten Partei-Establishments und dürfte über massive Finanzspritzen verfügen.

Wahrscheinlich die offenste Wahl von allen. In North Carolina gibt es keinen Favoriten. Diese Wahl könnte als bis dato teuerste Senatswahl in die Geschichte eingehen. Hier sollte man sehr genau hinschauen.

Bilder: Wikipedia.

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