von Bennet Müller und Julian Dietzschold
Julia Louis-Dreyfus ist keine Option – dafür aber viele andere spannende Kandidatinnen, die gemeinsam mit Joe Biden für die Demokraten im November ins Rennen gehen könnten. Biden hat zwei Bedingungen aufgestellt, die seine Vize erfüllen muss: sie muss eine Frau sein und sie muss von Tag eins an bereit sein, ein Exekutivamt zu übernehmen.
Eine Vizekandidatin ist aber mehr als das. Sie ist ein running-mate, die den Kandidaten im besten Fall ergänzt und seine Chancen auf den Wahlsieg vergrößert. Hier sollen die 8 Politikerinnen dargestellt werden, die aktuell wohl die besten Chancen haben als No. 2 von Joe Biden für die Demokraten an den Start zu gehen.
Die Kandidatinnen sind so unterschiedlich wie die Strategien, die das Wahlkampfteam um den ehemaligen Vizepräsidenten diskutieren wird. Je nachdem wie man in der Zentrale die aktuelle Stimmung oder Lage im Land einschätzt, so dürfte auch die Wahl für die mögliche nächste Vizepräsidentin aussehen.
Stacey Abrams
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *09.12.1973 (46) in Madison, Wisconsin
Heimatstaat: Georgia
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: keine
Frühere Funktionen: Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus von Georgia (2011-2017), Abgeordnete im Repräsentantenhaus von Georgia (2007-2011)
Schwerpunkte: Gesundheitspolitik, Bildungspolitik, Reform des Justizwesens, Wahlrecht
Bei der Gouverneurswahl 2018 in Georgia hat Stacey Abrams für einiges Aufsehen gesorgt. Obwohl sie mit 48,8% knapp gegen den rechtspopulistischen Republikaner Brian Kemp verloren hat, kam sie im roten Georgia so nahe an einen Wahlsieg wie lange kein Demokrat vor ihr – und das obwohl sie eine junge schwarze Politikerin mit ausgesprochen progressiven Positionen ist. Oder vielleicht auch gerade deswegen: Sie konnte nämlich viele (junge) Menschen motivieren, für sie zu stimmen. Die Wahlbeteiligung stieg um 23,5 Punkte auf sagenhafte 70 Prozent.
Für das Thema der Stunde „black lives matter“ dürfte Abrams ebenfalls wie die Faust aufs Auge passen. Sie ist ein fester Bestandteil der Bewegung und dürfte für viele Anhänger motivieren, die Demokraten zu unterstützen. Trotz ihrer eher progressiven Positionen hat sie ein gutes Verhältnis zu Joe Biden und ihn bereits früh in seiner Kandidatur unterstützt.
Pros
- Als junge schwarze Frau mit progressiven Positionen verkörpert sie so ziemlich das Gegenteil von Joe Biden und würde der Kampagne einen interessanten Gegenpol geben – sie dürfte bei der demokratischen Basis mit großem Enthusiasmus aufgenommen werden
- Stacey Abrams bringt Georgia für die Demokraten ins Spiel – ein großer Preis: 16 Wahlmännerstimmen und 2 Senatssitze sind hier zu vergeben. Zudem dürfte ihre Kandidatur den Demokraten auch in Florida und North Carolina Aufwind geben.
- Abrams ist eine gute Wahlkämpferin, die beweisen hat, dass sie die Menschen an die Wahlurnen bringen kann – ein Problem das den Demokraten 2016 die Wahl gekostet hat.
Cons
- Trotz ihres guten Ergebnisses bei der Gouverneurswahl hat Stacy Abrams noch keine relevante Wahl gewonnen und deshalb nichts vorzuweisen, was eine Nominierung als Vizepräsidentin rechtfertigen würde.
- Ihre bisherige politische Erfahrung ist sehr dünn. Ob die Wähler ihr wirklich zutrauen, im Zweifel das Amt der Präsidentin zu übernehmen, darf deshalb bezweifelt werden und könnte einem Ticket Biden/Abrams schaden.
- Abrams dürfte keine Kandidatin sein, die Blue Collar Arbeiter oder die Menschen in den Vorstädten begeistern wird. Diese beiden Wählergruppen sind für die Demokraten aber essentiell, wenn sie das Weiße Haus und die Mehrheit im Senat zurückerobern wollen.
Stacey Abrams kann viele Menschen der demokratischen Basis begeistern, für die Biden zu alt und zu moderat ist. Zudem bringt sie mit ihrem Heimatsstaat Georgia ein echtes Pfund auf die Waage. Ihre Kandidatur hätte aber mindestens so viele Nachteile wie Vorteile. Wenn Biden eine Vizepräsidentin haben will, die ein Signal an die Black Community sendet, hat er voraussichtlich bessere Optionen als Stacey Abrams.
Tammy Baldwin
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *11.02.1962 (58) in Madison, Wisconsin
Heimatstaat: Wisconsin
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Junior Senatorin von Wisconsin (seit 2013), Generalsekretärin der Demokratischen Fraktion im Senat (seit 2017)
Frühere Funktionen: Abgeordnete für den 2. U.S. Kongresswahlbezirk in Wisconsin (1999-2013), Mitglied des State Assemblys von Wisconsin (1993-1999)
Schwerpunkte: Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Umweltpolitik
Tammy Baldwin ist die erste und bislang einzige offen-lesbische Frau, die in den U.S. Senat gewählt wurde. Sie gehört zum progressiven Flügel der Demokraten und wurde von den Republikanern immer wieder als „zu liberal“ angegriffen. Trotzdem wurde sie im Swing State Wisconsin zweimal überzeugend in den Senat gewählt. Dort gehört sie neben Bernie Sanders und Sherrod Brown dem Progressive Caucus der Demokraten an.
Im Senat hat Baldwin sich bisher hauptsächlich mit klassisch Sozialpolitischen Themen einen Namen gemacht. So setzt sie sich insbesondere für Arbeitnehmerrechte und Gesundheitsfürsorge für alle ein – Themen die im Blue Collar Wisconsin bei den Wählern gut ankommen. In der Gesellschaftspolitik gehört sie zu einem der liberalsten Mitgliedern des Senats. In der Demokratischen Partei spricht Tammy Baldwin demnach ein anderes Publikum an, als Joe Biden. Ihre Nominierung könnte aber für viele progressive Demokraten ein wichtiges Signal sein, dass es auf ihre Stimmen ankommt.
Pros
- Sie kommt aus Wisconsin, einem umkämpften Staat, der Präsident Trump 2016 zum Wahlsieg verholfen hat – Mit ihrer Nominierung haben die Demokraten gute Chancen den Badger State zurück zu gewinnen.
- Ihre Basis aus Blue Collar Worker und Progressiven Demokraten dürfte einerseits die linke Basis der Partei besänftigen und andererseits eine wichtige Wechselwählergruppe ansprechen.
- Als Kandidatin aus dem Rust Belt, könnte sie den Demokraten auch in den umliegenden Staaten Michigan und Minnesota einen Boost geben – eine wichtige Basis für die Wahl
Cons
- Abgesehen von Wisconsin dürfte Baldwin der Wählerschaft weitgehend unbekannt sein.
- Für Schwarze und Latino-Wähler dürfte sie wenig Appeal haben, in der aktuellen Lage könnten diese wichtigen Wählergruppen sogar über eine weiteren weißen auf dem demokratischen Ticket verärgert sein
- Ihre Positionen stehen denen von Joe Biden zum Teil diametral entgegen, vor allem bei der Gesundheitsfürsorge; mit ihren Positionen und ihrer Geschichte ist sie so liberal, dass sie Wähler in der Mitte abschrecken könnte
- Wenn Baldwin Vizepräsidentin wird, muss für ihren Senatssitz im Swing State Wisconsin eine Nachwahl stattfinden. Ein großes Risiko, insbesondere wenn die Mehrheitsverhältnisse wie erwartet knapp sein dürften.
- Bidens Alter macht eine Vizekandidatin wichtiger als je zuvor. Die Wähler müssen ihr zutrauen, im Zweifel das Präsidentenamt übernehmen zu können. Ob die Mehrheit der Amerikaner das einer Senatorin ohne jegliche Exekutiv-Erfahrung zutrauen ist fraglich.
Senatorin Baldwin dürfte für den progressiven Teil der demokratischen Wählerschaft und für die LGBT-Community eine spannende Kandidatin sein. Sie könnte den Teil der demokratischen Basis zu den Wahlurnen bringen, die Biden für zu alt, zu männlich und zu moderat halten. Gegen sie spricht allerdings eine Menge. Für die Rust-Belt-Strategie gibt es bessere Alternativen als sie. Außerdem würden die Demokraten kaum einen so wichtigen Senatssitz riskieren, wenn es nicht zwingend sein muss.
Val Demmings
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *12.03.1957 (63) in Jacksonville, Florida
Heimatstaat: Florida
Beruf: Polizistin
Aktuelle Politische Funktion: Abgeordnete des 10. US-Kongresswahlbezirks von Florida (seit 2017)
Frühere Funktionen: Chefin des Orlando Police Departments (2007 – 2011)
Schwerpunkte: Gun Control
Val Demings ist die Ehemalige Polizeichefin von Orlando, die 2016 in den Kongress gewählt wurde und sich dort unter anderem für schärfere Waffengesetze stark macht. Sie gehört klar zum moderaten Flügel der Demokraten. So plädiert sie auch in der Gesundheitspolitik eher für eine Beibehaltung bzw. Weiterentwicklung von Obamacare und nicht für den weitereichenden „medicare for all“ Plan. Sie und Joe Biden würden inhaltlich zweifellos gut zusammenpassen und vermutlich auch gut zusammenarbeiten können sollten sie die Wahl gewinnen.
Pros
- Val Demings wahlstrategisch größtes Plus ist unzweifelhaft, dass sie aus Florida kommt. Der Sunshine State ist mit seinen 29 Stimmen im electoral college der Hauptpreis unter den Swing States. Florida zu gewinnen würde fast sicher bedeuten Donald Trump deutlich zu besiegen.
- Ein weiteres eindeutiges Pro wäre, dass mit ihr die wichtigste Wählergruppe der Demokraten, nämlich schwarze Frauen, auf dem Ticket vertreten wäre. Gerade in Zeiten, in denen in den USA endlich eine gesellschaftliche Debatte über strukturellen Rassismus und die jahrhundertelange Unterdrückung der African Americans stattfindet.
- Demings Vergangenheit als Polizeichefin könnte sie zu dem zu einer wichtigen und glaubwürdigen Stimme in der Debatte um eine große Polizeireform machen.
Cons
- Val Demings ist mit 63 nicht zwangsweise eine Stimme für eine neue Generation. Gleichzeitig ist sie trotzdem auch noch recht unerfahren und wäre wohl nicht vom ersten Tag an bereit die Regierung zu übernehmen.
- Ihr landesweites politisches Profil ist noch nicht sehr entwickelt und sie hat auch in Florida noch an keiner Wahl teilgenommen die im gesamten Staat stattfindet wie etwa eine Senatswahl, Es ist also nicht sicher, ob sie Florida auch wirklich holen könnte.
- Ihre Zeit als Polizeichefin könnte für sie politisch auch zur Belastung werden, wenn sie von den Protestierenden als Vertreterin des rassistischen Law and Order Staates wahrgenommen würde.
- Der linke Flügel der Demokraten wäre von ihrer Nominierung wohl nicht sehr begeistert.
Val Demings bringt definitiv interessante Stärken ein und könnte 2020 genau die richtige Kandidatin für die Demokraten sein. Allerdings ergänzt sie Joe Biden inhaltlich weniger stark als andere mögliche Kandidatinnen die tun würden. Auch ihre geringe politische Erfahrung könnte ein Problem sein.
Kamala Harris
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *20.10.1964 (55) in Oakland, Kalifornien
Heimatstaat: Kalifornien
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Junior Senatorin von Kalifornien (seit 2017)
Frühere Funktionen: Justizministerin von Kalifornien (2011 – 2017), Bezirksstaatsanwältin von San Francisco (2004 – 2011)
Schwerpunkte: Justiz- und Polizeireform, Gun Control, Innere Sicherheit, LGBTQ Rights
Bei CNN liegt Kamala Harris seit Wochen auf Platz 1 der Liste der potentiellen Running Mates für Joe Biden. Die aus Kalifornien stammende Tochter einer indischen Wissenschaftlerin und eines jamaikanischen Ökonomen wurde 2016 in den US-Senat gewählt. Wo sie sich besonders bei den Senats Anhörungen durch ihre präzise und schlagfertige Art Nachfragen hervortat. Sie gehört zum moderaten Lager der Partei und hat sich selbst um die Nominierung der Demokraten für die Präsidentschaftswahl 2020 beworben. Bei der ersten TV-Debatte hatte sie dabei eine heftige Auseinandersetzung mit Joe Biden, darüber, ob Biden in seiner Zeit im Senat rassistische Praktiken wie „Busing“ unterstützt oder zumindest toleriert habe.
Pros
- Harris gilt als starke (Debatten-)Rednerin und hat durch ihre eigene Kampagne schon Erfahrung mit Präsidentschaftswahlkämpfen.
- Mit 55 Jahren gehört Harris definitiv einer anderen Generation an, als der 77 Jahre alte Joe Biden.
- Ihre indischen Wurzeln könnten ihr helfen mehr Asian Americans zum Wählen gehen zu motivieren und diese wichtige Bevölkerungsgruppe politisch mehr für die Demokraten zu gewinnen.
- Auch an die Black Commuinty würde ihre Nominierung ein Zeichen setzen, dass Biden ihre Stimmen anders als Hillary Clinton 2016 nicht für garantiert hält.
- Harris hätte definitiv die politische Erfahrung um von Beginn wirklich zu regieren und zur Not auch als Präsidentin zu übernehmen.
- Sie setzt sich öffentlich stark für eine Polizeireform ein.
Cons
- Harris Heimatstaat Kalifornien gehört zu den absoluten Hochburgen der Demokraten. Auch Nachbarstaaten wie Oregon, Nevada oder Washington State sind eigentlich sicher für die Partei. Daher stellt sich die Frage ob Harris als Kandidatin Staaten einbringen könnte, die Joe Biden nicht ohnehin gewinnt.
- Ihr Schlagabtausch mit Biden während der ersten Vorwahldebatte hat diesem damals stark geschadet und würde die beiden heute vielleicht nicht unbedingt als authentisch harmonisches Duo erscheinen lassen.
- Auch gehört Harris klar zum moderaten Flügel und würde nicht zwangsläufig zu Stürmen der Begeisterung beim linken Teil der Partei führen.
- Während der Vorwahlen har Harris verhältnismäßig geringen Support aus der Black Community auf sich vereinen können, was auch mit ihrer Zeit als Staatsanwältin zu tun hat. Ihr haftet der Ruf an damals zu sehr Law and Order gewesen zu sein.
Kamala Harris bringt zweifelsohne vieles mit was sich die Demokraten von einer Kandidatin für die Vizepräsidentschaft erhoffen. Aber ob sie für Joe Biden gerade auch in der aktuellen Situation eine gute Wahl wäre sollte er sich genau überlegen. Denn neben ihren Vorteilen bringt sie eben auch deutliche Defizite mit und es ist durchaus möglich, dass diese schwerer wiegen.
Amy Klobuchar
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *25.05.1960 (60) in Plymouth, Minnesota
Heimatstaat: Minnesota
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Senatorin aus Minnesota (seit 2007)
Frühere Funktionen: Generalstaatsanwältin von Hennepin County (1999-2007)
Schwerpunkte: Generalistin, aktuell setzt sie sich besonders für eine Justizreform und eine Wahlrechtsreform ein, die eine sichere Wahl in Zeiten von Corona ermöglichen soll.
Inmitten eines Blizzards in Minnesota hat Senatorin Klobuchar ihre Kandidatur für die Präsidentschaft 2020 angekündigt. Anfangs hatte sie Schwierigkeiten, im großen Feld der Demokraten herauszustechen, erst kurz vor dem Iowa Caucus und der Vorwahl in New Hampshire hat ihre Kandidatur Fahrt aufgenommen. Dabei sind ihre Referenzen tadellos. Dreimal wurde sie in den Senat gewählt – jedes Mal mit einem Erdrutschsieg. Klobuchar ist eine moderate Demokratin und eine der fleißigsten Senatorinnen. Zudem gehört sie seit ihrer ersten Wahl in den Senat regelmäßig zu den 10 beliebtesten Mitgliedern des U.S. Oberhauses.
Nachdem die Senatorin ihre Präsidentschaftskampagne nach der Vorwahl in South Carolina beendet hat, wurde sie einer der wichtigsten Unterstützerinnen von Joe Biden und hat ihn bei seiner Vorwahlkampagne in wichtigen Rust Belt Staaten unterstützt. Um anderen Demokraten, insbesondere in schwierigen Staaten oder Wahlbezirken, bei der Wahl zu helfen hat sie im Mai 2020 das „Win-Big-Projekt“ ins Leben gerufen.
Pros
- Biden hat die Vorwahlsiege in Minnesota, Michigan und Wisconsin zum einem großen Teil auch der Unterstützung von Senatorin Klobuchar zu verdanken. Im Rust Belt und im Mittleren Westen dürfte sie den Demokraten einen entscheidenden Vorteil bringen.
- Amy Klobuchar ist ein Liebling der (weißen) Arbeiter- und Angestelltenschicht und hat großen Appeal für die Wählerschaft in den Vorstädten – zwei sehr hart umkämpfte Wählergruppen.
- sollte Bidens Gesundheit und sein Alter zum Problem werden, dürfte ein Großteil der Wähler der Senatorin aus Minnesota zutrauen, das Präsidentenamt zu übernehmen.
- Sollten die Demokraten zu der Einschätzung gelangen, dass die Menschen in Amerika aktuell am ehesten ein Duo wählen, dass die polarisierende Gesellschaft weder zusammenbringen kann – wie bei der Wahl 1964 – dürfte Senatorin Klobuchar am ehesten die Kandidatin sein, mit der man die „Johnson-Strategie“ zum Erfolg führen könnte.
Cons
- Sie dürfte politisch die größte Verliererin der blacklivesmatter-Bewegung sein. In ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin von Hennepin County (Minneapolis) hat sie Positionen vertreten, die von vielen als zu Polizei-freundlich wahrgenommen werden. Ihre Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidatin könnten viele Anhänger der Bewegung als Affront empfinden und sich von den Demokraten abwenden.
- Die Minderheiten und der progressive Flügel der Demokraten werden von einem Ticket Biden/Klobuchar nicht begeistert sein.
Minnesota ist nach Massachusetts vermutlich der Staat der die meisten Präsidentschafts- oder Vizepräsidentschaftskandidaten für die Demokraten in der jüngeren Vergangenheit hervorgebracht hat. Aktuell führt Biden in Umfragen deutlich vor Trump. Sollten Bidens Wahlkampfstrategen zu der Ansicht gelangen, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen zweiten Lyndon B. Johnson haben will – jemand der die Bevölkerung wieder zusammen führen kann – dann dürfte Klobuchar eine Favoritin für die Vizepräsidentschaft sein. Mit einem Ticket Biden/Klobuchar könnten die Demokraten einen ähnlich spektakulären Sieg erringen wie 1964. Will man lieber versuchen, die linke Basis zur Wahl zu motivieren, ist sie keine gute Option.
Keisha Lance Bottoms
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *18.01.1970 (50) in Atlanta, Georgia
Heimatstaat: Georgia
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Bürgermeisterin von Atlanta (seit 2018)
Frühere Funktionen: Stadträtin für den 11. Bezirk von Atlanta (2010 – 2018)
Schwerpunkte: Transparenz & Kampf gegen Korruption, Arbeits- und Sozialpolitik, Wohnungspolitik, Voting Rights
Keisha Lance Bottoms war während der Vorwahlen eine wichtige Unterstützerin von Joe Biden. Auch in schwierigen Momenten seiner Kampagne, wie etwa den heftigen Niederlagen in Iowa und New Hampshire hielt sie zu dem ehemaligen Vizepräsidenten und hatte maßgeblichen Anteil an Bidens Comeback in South Carolina. Sie gehört eher zum moderaten Flügel der Demokratischen Partei und gilt als wortgewaltige Kritikerin von Präsident Trump. Sie hat Atlanta verhältnismäßig gut durch die Corona Pandemie gebracht. Im Zuge der Black Lives Matter Proteste und der Schwierigkeiten bei den Vorwahlen in ihrem Heimatbundesstat Georgia auch landesweit mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Pros
- Lance Bottoms ist fast 30 Jahre jünger als Joe Biden, dessen Versprechen Brücke zu einer neuen Generation demokratischer Führungspersönlichkeiten sein zu wollen wäre damit erfüllt.
- Als afroamerikanische Bürgermeisterin von Atalanta, der Stadt die einst Hochburg und Ausgangspunkt der Civil Rights Movement war, hätte ihre Kandidatur vor dem Hintergrund der BLM Proteste einen hohen Symbolcharakter.
- Wie auch Stacey Abrams könnte sie helfen Georgia für die Demokraten zu gewinnen. Die 16 Stimmen im Electoral College und die 2 Senatssitze die zu vergeben sind, haben einen hohen Wert für die Demokraten. Zudem dürfte ihre Kandidatur den Demokraten auch in Florida und North Carolina Aufwind geben.
- Ihre demonstrative Loyalität zu Biden während der Vorwahlen ließe ihre Kandidatur konsequent und glaubwürdig erscheinen und würde wohl eine gute Zusammenarbeit garantieren.
- Ein weiterer interessanter Punkt für sie könnte ihr kommunalpolitischer Hintergrund sein. Sie ist, anders als Joe Biden der mehr als 30 Jahre lang dem Senat angehörte bevor er 8 Jahre Lang Vizepräsident war, keine Washington Insiderin. Sie könnte glaubwürdig über Probleme vor Ort in den Communitys berichten und neue Impulse in die Hauptstadt bringen.
- Auch ihr Einsatz für Transparenz und Ethische Standards in der Politik könnte gerade im Wettbewerb zu der offensichtlich korrupten Trump Regierung ein großes Plus sein.
Cons
- Trotz der, wie erwähnt, gestiegenen Aufmerksamkeit, müssten die Biden Kampagne trotzdem noch Zeit und Ressourcen investieren um Lance Bottoms landesweit bekannt zu machen.
- Ein Kritikpunkt der sicher aufkäme wäre, dass einen der Job als Bürgermeistern nicht darauf vorbereitet Präsidentin der Vereinigten Staaten zu sein. Eine Vizepräsidentin sollte allerdings eigentlich jeder Zeit bereit sein diese Rolle zu übernehmen.
- Auch der progressive Flügel der Demokraten könnte von dem moderaten Duo aus Biden und Lance Bottoms nur eingeschränkt begeistert sein.
Die perfekte Vizepräsidentschaftskandidatin kann es nicht geben, aber Keisha Lance Bottoms kommt für Joe Biden, vor dem Hintergrund der politischen Großwetterlage im Jahr 2020 zumindest in die Nähe davon. Ja auch bei ihrer Kandidatur gibt es Schwächen und gerade der Bereich Erfahrung ist für Joe Biden enorm wichtig. Anderseits war auch Barack Obama unerfahren und war trotzdem ein guter Präsident. Auch für den progressiven Flügel könnte es durchaus möglich sein sich, wenn auch vielleicht nicht tief begeistert, hinter ihr zu versammeln, da sie zum Beispiel in der Sozialpolitik sehr wohl eine Alliierte sein könnte. Gleichzeitig wäre sie vermutlich sehr gut in der Lage die Black Community zu mobilisieren und für die Demokraten in den südlichen Swing States Boden gut zu machen.
Michelle Lujan Grisham
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *24.10.1959 (60) in Los Alamos, New Mexico
Heimatstaat: New Mexico
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Gouverneurin von New Mexico (seit Januar 2019)
Frühere Funktionen: Abgeordnete für den 1. U.S. Kongresswahlbezirk in New Mexico (2013-2019), Gesundheitsministerin von New Mexico (2004-2007)
Schwerpunkte: Gesundheitspolitik, Agrar- und Umweltpolitik
Gouverneurin Lujan Grisham ist nach dem Rückzug von Senatorin Cortez Masto die höchstrangige Latina-Politikerin in der Partei, die für die Vizepräsidentschaft in Frage kommt. Innerhalb der Demokratischen Partei gehört sie keiner besonderen Strömung an. In ihrer Zeit im Repräsentantenhaus war sie Vorsitzende des Hispanic Caucus und ist damit besten in der Latino-Community vernetzt. Das haben die Wähler in Nuevo México, die zu 55 Prozent aus Latinos bestehen, honoriert.
Für Joe Biden gibt es keine unüberwindbaren Hürden, die einer Running Mate Lujan Grisham im Wege stehen. Bei den Latino-Wählern hat er in den Vorwahlen eine relative Schwäche gezeigt, dies könnte eine Latina als Vizekandidatin ganz besonders interessant machen.
Pros
- Als gut vernetzte Latina dürfte Gouverneurin Lujan Grisham bei der Latino-Bevölkerung für große Euphorie sorgen und die relative Schwäche, die Biden bei der Community hat, ausgleichen. Das insbesondere für Texas, Arizona und Florida entscheidend. In den Staaten könnte eine hohe Wahlbeteiligung bei den Latinos die Wahl zugunsten der Demokraten entscheiden.
- Als Gouverneurin und ehemalige Ministerin bringt sie wertvolle Exekutiv-Erfahrung mit, die für die Vizepräsidentschaft und eine mögliche Präsidentschaft hilfreich sind.
- In der Demokratischen Partei steht sie relativ in der Mitte – mit ihrer Nominierung dürfte kein Flügel ernsthafte Probleme haben.
Cons
- Lujan Grisham ist in den USA eher unbekannt, auch während ihrer Zeit im Kongress ist sie nicht durch inhaltliche Vorstöße aufgefallen.
- Die öffentliche Debatte in den USA dreht sich gerade insbesondere um die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung. Die schwarze Community und die Latino Community sind nicht gerade die besten Freunde. Die Nominierung einer Latina-Vizekandidatin könnte viele schwarze Wähler verärgern, die die Demokraten vor allem in Michigan und Pennsylvania dringend für den Sieg brauchen.
- Ihr Heimatstaat New Mexico ist ein sicherer Staat für die Demokraten, wie weit sie darüber hinaus ausstrahlen kann, muss sie erst noch beweisen.
Noch nie hat eine der beiden großen Parteien eine Latina als Kandidatin oder Vizekandidatin bei einer Präsidentschaftswahl aufgestellt. Eine Nominierung von Gouverneurin Lujan Grisham dürfte bei der Latino-Bevölkerung auf große Euphorie stoßen. Ob Biden aber das Risiko eingehen, will, die schwarze Bevölkerung möglicherweise zu verärgern, der er zum großen Teil seine Nominierung verdankt, ist unklar. Das dürfte aber der einzige relevante Punkt sein, der gegen die Gouverneurin aus dem Südwesten spricht. Davon abgesehen ist sie eine ganz heiße Kandidatin.
Elizabeth Warren
Steckbrief:
Geburtsdatum/Alter: *22.06.1949 (70) in Oklahoma City, Oklahoma
Heimatstaat: Massachusetts
Beruf: Juristin
Aktuelle Politische Funktion: Senatorin von Massachusetts (seit 2013)
Frühere Funktionen: Special Advisor des Consumer Financial Protection Bureau (2010 – 2011), Vorsitzende des Congressional Oversight Panel (2008 – 2010)
Schwerpunkte: Finanz- und Steuerpolitik, Verbraucherschutz, Kampf gegen Korruption, Gesundheits- und Sozialpolitik
Elisabeth Warren gehört innerhalb der Demokraten klar dem progressiven Flügel an. Von den Frauen, die es in die engere Auswahl als Vizepräsidentschaftskandidatin ihrer Partei geschafft haben steht sie am weitesten links. Die ehemalige Harvard Professorin, die sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet hat, wurde 2012 in den Senat gewählt und gilt als eines der fleißigsten und detailversessensten Kongressmitglieder. Sie bewarb sich selbst auch um die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei. Ihr Schlachtruf dabei: „I have a plan for that!“. Sie ist eine energische Verfechterin von Steuererhöhungen für die Reichen und großen Konzernen. Ähnlich wie Bernie Sanders kämpft auch sie für die „Medicare for all“ genannte gesetzliche Krankenversicherung, wenn ihr Plan auch weniger radikal ist, als der von Sanders. Warren ist besonders bei gut gebildeten Wähler(innen) beliebt.
Pros
- Der Wahlkampf nach Corona könnte stark von Wirtschafts- und Sozialpolitik und einer Debatte um die gerechte Verteilung der Lasten geprägt sein. Hier könnte die linke Demokratin Warren mit ihren zahlreichen Plänen und ihrer hohen Kompetenzen auf diesen Felden punkten.
- Warren verfügt aus ihrem eigenen Wahlkampf über ein starkes Netz an Kleispender, das ihr ermöglicht ohne Milliardäre und große Konzerne viel Geld einzusammeln.
- Ihre Erfahrung und ihr hohes Fachwissen brächten den Vorteil mit, dass sie sich ähnlich wie Amy Klobuchar nicht erst in das Regieren einarbeiten müsste, sondern „ready on day one“ wäre. Das hat Joe Biden als, für ihn, wichtiges Kriterium formuliert.
- Ein weiterer Vorteil dürfte ihre hohe Bekanntheit sein. Die Menschen kennen sie und wissen wofür sie steht.
- Darüber hinaus gilt sie als starke Debattenrednerin und kann die Parteibasis in Enthusiasmus versetzen. In einem Wahlkampf in dem es viel darauf ankommen wird Donald Trumps Angriffe zu parieren und die eigenen Leute zu mobilisieren können das nicht zu unterschätzende Vorteile sein.
Cons
- Warren wäre bei der Wahl bereits 71 Jahre alt. Der 77 Jahre alte Biden wünscht sich aber eigentlich explizit eine Vizekandidatin die jünger ist als er.
- Warren gehört keiner ethnischen Minderheit an. Ein rein weißes Ticket passt aber nur bedingt zu einer Partei, die gerne die ganze Vielfalt Amerikas repräsentieren möchte.
- Ihre sehr progressiven Positionen könnten zu dem liberalkonservative Wechselwähler abschrecken.
- Auch wird Warren immer wieder als zu akademisch und verkopft angegriffen. Die Republikaner würden im Wahlkampf wohl versuchen sie als Vertreterin der angeblich abgehobenen Ostküstenelite zu zeichnen.
- Zudem ist Warrens Heimatstaat Massachusetts für die Demokraten ohnehin sicher.
Unterm Strich halten sich Pros und Contras im Fall von Elisabeth Warren also die Waage. Sie könnte Joe Bidens Kampagne den Schuss an Begeisterung verpassen, der bisher fehlt, aber sie könnte auch wichtige Wählergruppen abschrecken. Gleichzeitig liegt sie in Umfragen, auf die Frage wen Joe Biden als Vizepräsidentschaftskandidatin nehmen sollte, vorne. Die Senatorin bleibt also definitiv im Rennen, wenn sie auch nicht die Favoritin sein dürfte.
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