Die aktuelle Klinikdebatte bewegt viele Menschen im Ostalbkreis. Das haben die Kreisräte Bennet Müller (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) und Manuel Reiger (FDP) zum Anlass genommen, um sich auch zu diesem Thema zu Wort zu melden.
Um sich einen intensiven Überblick zu verschaffen haben sie in den vergangenen Wochen viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Kreistages, mit Bürgern des Ostalbkreises, mit Multiplikatoren und auch mit den Ärzten, Pflegekräften und dem medizinischen Fachpersonal der Kliniken geführt.
Die Debatte sei jetzt schon spürbar emotional. „Als Kreisrat wird man derzeit oft darauf angesprochen, dass man drei Klinken brauche und dass man doch nicht gerade das Klinikum in der eigenen Stadt schließen könne“ äußern Müller und Reiger, „viele Bürgerinnen und Bürger verstehen die Entscheidung des Kreises nicht. Das liegt auch an mangelnder Kommunikation.“
„Wir merken im Gespräch mit Fachleuten und Mitarbeitern der Kliniken aber auch eine ganz besondere Dringlichkeit einer Entscheidung“ so die Kreisräte. An den Kliniken herrschten harte Arbeitsbedingungen, großer auch emotionaler Druck und hoher Personalmangel. Dazu besteht ein hoher Investitionsstau an der Bausubstanz, der nicht immer für das beste Arbeitsklima sorgt. Hinzu kommen bundespolitische Vorgaben, die zusätzlich einen veränderten Rahmen in der Gesundheitsversorgung bedeuten und Druck auf die Kliniken ausüben. „Berater, Mediziner und auch Pflegekräfte sind sich hier eigentlich einig: Es kann mit dieser Struktur im Kreis nicht mehr weitergehen. Das haben wir bei unseren Gesprächen deutlich gespürt und das müssen wir den Bürgern auch ehrlich kommunizieren,“ erklären Müller und Reiger. Ein Festhalten am Status quo führe zu einer schleichenden Verschlechterung unseres Gesundheitssystems im Ostalbkreis. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Landrat in der Pflicht
„Landrat Dr. Bläse hat die Debatte erst ermöglicht. Das war ein richtiger Schritt“ sind sich beide einig, allerdings wünschen sie sich vom Landrat mehr Offenheit gegenüber den Bürgern. „Eine Online-Diskussion ist zu wenig. Wir wünschen uns, dass der Landrat die Diskussion mit den Bürgern anführt und nicht nur moderiert,“ nehmen sie Landrat Dr. Bläse in die Pflicht. „Das muss jetzt bald geschehen.“
Eine klare Kommunikation sei aber auch nach innen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken wichtig. Hier wird die Struktur-Diskussion sehr intensiv verfolgt. „Die Mitarbeiter an den Kliniken wollen wissen, wie es weitergeht und sie mitzunehmen ist zentral für das Gelingen der Reform,“ meinen Müller und Reiger. Die Personaldecke sei bereits so stark angespannt, dass man nicht wegen einer zu zögerlichen Kommunikation noch Mitarbeiter verlieren dürfe. Im Gegenteil: Eine neue Struktur können auch eine große Chance für bessere Arbeitsbedingungen sein, da so einerseits Aufgaben gebündelt werden können und andererseits durch mögliche bauliche Maßnahmen auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden können.
Der Ostalbkreis ist keine Insel
Müller und Reiger gehören zu den jüngeren Mitgliedern des Kreistages. Deshalb sei es Ihnen besonders wichtig, eine tragfähige Lösung für die nächsten Jahrzehnte zu treffen. Der Ostalbkreis dürfe nicht als Insel gesehen werden, denn auch was jenseits der Kreisgrenzen geschehe beeinflusse die Situation maßgeblich. Der Rems-Murr-Kreis, der Kreis Göppingen und die Stadt Stuttgart hätten die Klinikstrukturen bereits moderner aufgestellt. Im Osten würde dies aber ganz anders aussehen. „Die Kliniken an der östlichen Grenze, vor allem in Dinkelsbühl, Nördlingen und Oettingen sind sehr klein – ob sie sie mittel- und langfristig überlegen können ist sehr zweifelhaft. Für die Menschen in Bopfingen oder im Ries ist ein Klinikum im Ostalbkreis zukünftig möglicherweise die einzige Anlaufstelle für eine adäquate Versorgung. Hier müssen wir schon sehr genau hinschauen, dass wir langfristig niemanden von der Versorgung abschneiden,“ meinen Müller und Reiger. Es dürfe nicht nur auf die Bevölkerungsdichte ankommen, der Osten habe deutlich mehr Einwohner und beinahe die doppelte Fläche. Gleichwohl gelte auch: Erreichbarkeit ist wichtiger als die bloße Entfernung.
Neue Struktur muss Probleme lösen und keine neuen schaffen
„Wir sind bisher noch nicht auf eine konkrete Variante festgelegt,“ erklären Reiger und Müller, „dazu ist es auch noch zu früh. Bevor wir diese Entscheidung treffen, wollen wir uns eingehend nochmal mit allen Fakten befassen und dann eine Entscheidung treffen.“ Maßgeblich dafür sei aber, dass durch die neue Struktur die aktuellen Probleme gelöst werden und nicht neue Probleme geschaffen werden.
Deshalb lehnen die beiden die kürzlich bekannt gewordenen Gedankenspiele der beiden OBs aus Aalen und Schwäbisch Gmünd ab. „Wir wollen keine Formelkompromisse, sondern die beste Lösung für den Kreis. Der Vorschlag der beiden OBs löst aber weder das Problem des Personalmangels, noch wird dadurch die Bausubstanz besser. Die Frage wie man mit den bundespolitischen Vorgaben umgehe, wird mit diesem Vorschlag auch nicht beantwortet. Die Qualität der Versorgung muss an erster Stelle stehen und dann kann der Standort entschieden werden. Das wird für uns die Maßgabe der Entscheidung sein,“ formulieren sie als abschließende Forderung.
Manuel Reiger (39) ist Rechtsanwalt und seit 2019 Mitglied des Kreistags. Er wurde für die FDP im Wahlkreis Härtsfeld-Ries gewählt.
Bennet Müller (32) ist Jurist und Oberregierungsrat. 2019 gewannt er ein Direktmandat im Wahlkreis Aalen und ist seitdem Mitglied des Kreistages für Bündnis 90/DIE GRÜNEN.
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