Dienstagnacht fällt die Entscheidung und damit wird die Frage beantwortet, welche Richtung die Vereinigten Staaten einschlagen werden. In einem politischen Klima, das von Polarisierung und Unsicherheit geprägt ist, stehen nicht nur die Zukunft der amerikanischen Demokratie, sondern auch zentrale Themen wie Wirtschaft, Migration, Abtreibung und Klimaschutz auf dem Spiel.
Besonders im Fokus steht die Möglichkeit einer erneuten Präsidentschaft von Donald Trump. Was würde ein Sieg Trumps für die Nation bedeuten? Welche Auswirkungen hätte seine Rückkehr auf die politischen Institutionen, die gesellschaftliche Spaltung und die internationale Stellung der USA?
Der US-Präsident wird nicht direkt durch die Wähler bestimmt, sondern vom Electoral College. Entscheiden wird die Wahl 2024 in diesen 7 Staaten: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin.
Gründe für einen Sieg von Donald Trump
Umfragen
In Michigan und Wisconsin zeigen Umfragen einen knappen Vorsprung für die demokratische Kandidatin Kamala Harris. In allen anderen 5 Swing States liegt Donald Trump knapp vorne. Diese Schwankungen können auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden, darunter wirtschaftliche Bedingungen, lokale Themen und die Mobilisierung von Wählergruppen. Besonders auffällig ist die Rolle der Unabhängigen, die in vielen dieser Staaten entscheidend sein könnten. Sie werden am Ende den Ausschlag geben. Bleibt es aber bei den aktuellen Umfragen, würde Trump knapp gewinnen.
Homogene Wählerbasis
Zahlenmäßig mag Donald Trumps Anhängerschaft geringer sein, als die von Kamala Harris. Aber sie ist wesentlich homogener und trotz seiner Ausfälle in großen Teilen bereit, für ihn durchs Feuer zu gehen. Die Anhängerschaft der Demokraten ist viel heterogener. Themen wie der Nahost-Konflikt spalten die demokratische Basis zudem. Man kann argumentieren, dass die Stimme eines Wählers, der einen nur mit der Faust in der Tasche wählt, genau so viel zählt, wie die eines Wählers, der aus Überzeugung wählt. Aber jemand der nicht überzeugt von einem Kandidaten ist, überlegt sich vielleicht zweimal, ob er überhaupt zur Wahl geht oder lieber zuhause bleibt. Ein Problem, das Hillary Clinton 2016 im Rust Belt zum Verhängnis geworden ist. Dieses Youtube-Experiment zeigt, dass das auch dieses Mal passieren könnte:
Wirtschaft und Migration
Beides sind wichtige Themen für relevante Wählerschichten. Bei beiden Themen trauen die Amerikaner Trump mehr zu als Kamala Harris. Insbesondere die beiden westlichen Swings States Arizona und Nevada sind von der Inflation hart getroffen. Hier leben viele Amerikaner, meistens Latinos, die vom Mindestlohn leben und Probleme haben, ihre Lebenshaltungskosten aufzubringen. Verschiedene Umfragen zeigen, dass Trump bei diesen Wählergruppen deutlich Boden gut macht.
Early Voting
Über 70 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben bereits ihre Stimme abgegeben. 2020 lagen die Demokraten bei Early Voting deutlich vorne. Dieses Mal ist es deutlich ausgeglichener, in den meisten Swing States haben bisher sogar mehr registrierte Republikaner abgestimmt. Da manche Republikaner auch Harris unterstützen, muss das nichts heißen. Generell dürfte es aber eher Trump nützen.
Aufmerksamkeit
Die Endphase des Wahlkampfes 2024 erinnert sehr an den Wahlkampf 2016. Alle Medien berichten darüber, was Trump zuletzt getan oder gesagt hat. Es ist viel Empörung dabei, vereinzelt auch Zustimmung. Am Ende rücken Themen dabei in den Hintergrund und jeder spricht über Trump. Das könnte ihm erneut nützen.
Gründe für einen Sieg von Kamala Harris
Senatoren & Gouverneure
In Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Arizona und Nevada finden zeitgleich Wahlen zum Senat statt. Die demokratischen Amtsinhaber liegen teilweise deutlich in Führung. Ähnliches gilt für die Gouverneurswahl in North Carolina, hier liegt der demokratische Kandidat ebenfalls deutlich vorne.
In Umfragen sind die demokratischen Kandidaten vor Ort alle deutlich stärker als Kamala Harris. Das kann einen positiven Effekt für sie haben. Jemand der beispielsweise in Pennsylvania zur Wahl geht, um Bob Casey wieder in den Senat zu wählen, wird vermutlich auch das Kästchen für die Präsidentschaftswahl ausfüllen und Kamala Harris unterstützen. Tatkräftig unterstützt wird das Harris/Walz Ticket im Wahlkampf auch von den Demokratischen Gouverneuren in Arizona, Michigan, Wisconsin, Pennsylvania und North Carolina, die dort alle über hohe Beliebtheitswerte verfügen.
Ground Game
Die Demokraten haben deutlich mehr Mitarbeiter, Büros und Freiwillige als Trump. In den entscheidenden Staaten werden sie an die Türen klopfen, Leute anrufen oder sie zum Wahllokal fahren. In Arizona werden von den Demokraten sogar neue Formen des Canvassing ausprobiert. Das könnte ihr bei der Schlussmobilisierung helfen.
Shy Women Vote
Es könnte dieses Mal einen Shy Women Vote geben. Insbesondere konservative Frauen, trauen sich vielleicht nicht in Gegenwart ihres Mannes oder ihrer Familie zuzugeben, dass sie für Kamala Harris stimmen, tun es aber in der Kabine trotzdem. Für diese Frauen haben die Demokraten einen Spot gemacht und dafür sogar Julia Roberts gewonnen.
Schlussmobilisierung
Interne Umfragen zeigen, dass Kamala Harris die Unabhängigen, die bisher unentschieden waren mit über 10 Punkten Vorsprung gewinnt. Sollte das zutreffen, dürfte ihr das Siege in den Staaten Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Nevada bescheren. Damit würde sie Präsidentin werden.
Helfen könnte ihr am Ende auch ein Push bei den Wählern mit Wurzeln in Puerto Rico. Bei der Trump Rally im Madison Square Garden wurde Puerto Rico von einem Comedian als Müll-Insel bezeichnet. Das hat zu großer Verärgerung in der Community geführt, die insbesondere in Pennsylvania sehr stark ist.
Abtreibung und Demokratie
Viele Frauen sind nach der Dobbs Entscheidung besorgt, dass es ein Abtreibungsverbot in den USA geben könnte. Das nutzt Kamala Harris als Mobilisierungsthema für sich und Umfragen zufolge ist es aktuell eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf.
Ein ähnlich starkes Mobilisierungsthema für die Demokraten ist der Schutz der amerikanischen Demokratie. Insbesondere nach dem Angriff aufs Kapitol sind viele Amerikaner besorgt, was passiert, wenn Trump erneut Präsident wird. Diese beiden Gruppen werden mit großer Mehrheit Kamala Harris unterstützen.
Wer gewinnt?
So offen war eine Präsidentschaftswahl lange nicht. Es gibt gewichtige Faktoren, die für Trump sprechen und einige Faktoren, die für Harris. Insbesondere die Schlussmobilisierung könnte sie noch über die Finish Line bringen.
Generell wirkt der Wahlkampf eher so als würde Trump die Republikaner mit sich ziehen und bei dem Demokraten Kamala Harris von den wichtigsten Figuren der Partei (Obamas, Clintons, die Gouverneure Whitmer, Shapiro und Evers) gezogen werden. Das spricht nicht unbedingt für ihre Stärke als Kandidatin.
Wenn ich heute wetten müsste, würde ich sagen, dass Kamala Harris in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Nevada gewinnt. Damit würde sie mit 276 Stimmen im Electoral College Präsidentin werden. Viel würde ich aber nicht setzen.
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